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Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!

November 2023





Liebe Gemeinde,

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“

Klingt verdächtig nach Scharia! Gottesrecht bricht Menschenrecht. Nämlich Gott – nicht das Volk ist der Souverän. Gottes Gebote anstelle des positiven Rechts – da zieht der demokratisch legitimierte Gesetzgeber den Kürzeren. Denn hier sind nur solche Normen gültig, die nahtlos aus Koran und Sunna fließen. Schließlich fordert die Einsheit Gottes (tauhid) die Einsheit der Gläubigen, vor allem aber die Einsheit aller Normen des Lebens.

Doch nicht die Scharia, sondern die Bibel gebietet: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). So formuliert von Petrus, als er mit allen Aposteln vor dem Hohen Rat angeklagt worden war, weil sie trotz ausdrücklichem Verbot von der Freiheit in Jesus Christus redeten und vollmächtig Kranke heilten. Ganz offensichtlich achteten sie die Pflicht, das Gotteswort zu verkündigen, höher als die Pflicht, den Anordnungen der Exekutive zu gehorchen. Denn Gottesgebot bricht Menschenrecht. So jedenfalls steht es in der Bibel!

Nun ist das mit dem Gehorsam natürlich so eine Sache. Oft ist Gehorsam unentbehrlich. Vor allem Gehorsam gegenüber dem Gesetz – sowie den Anordnungen der Behörden.  Alles andere bedeutet Willkür und Anarchie. Mitarbeiter gehorchen ihren Vorgesetzten, Kinder ihren Lehrern, Politiker ihren Wählern – und manchmal in langjährigen Ehen der bequemere dem dominanteren Partner.

Solcher Gehorsam beruht auf wechselseitigem Einvernehmen. Gewonnen etwa in einem demokratischen Gesetzgebungsverfahren – oder gewährt durch freiwillige Selbstunterwerfung in wechselseitiger Selbstverpflichtung. Auch Vertragsabschlüsse oder Konventionen konstituieren Gehorsamspflichten. Bei alledem braucht man offensichtlich keinen Gott, der seine Gebote und Verbote minutiös diktiert.

Und doch gibt es Gehorsamspflichten, die einseitig von Gott diktiert werden. Die Pflicht zur Nächstenliebe etwa, zur Solidarität mit den Schwachen, zum Mitleid mit den Gequälten: Ohne einen Gott wäre diese Gebote bloße Schaufensterdekoration für weichgespültes Gutmenschentum. Hierzu gehört auch die Freiheit des autonomen Individuums. Denn wenn die Freiheit Voraussetzung für die demokratisch regulierte Vertragsbildung ist, dann kann die Freiheit nicht selbst Gegenstand der Vertragsbildung sein. Sie muss un-bedingt und das heißt voraussetzungslos vorgegeben sein. Kein Zufall darum, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde in der Schöpfungsgeschichte - der Bibel sowie natürlich auch des Korans – ihre Wurzel hat. Als Geschöpf Gottes ist der Mensch nämlich genaues Abbild Gottes – und partizipiert damit an der unantastbaren Souveränität Gottes.

Dr. Martin Schulz-Rauch